Von einem Stadtteilzentrum bis zum Hamburger Klimaentscheid

Bei der zwei­ten Aktio­nen-Kon­fe­renz (AktiKo.ZWEI) wur­de es kon­kret: Unter dem Titel „Kli­ma­Ge­recht. Ver­netzt.“ dis­ku­tier­ten etwa 70 Hamburger:innen, wie sie sozia­le und öko­lo­gi­sche Vor­ha­ben zusam­men­brin­gen. 16 lau­fen­de Initia­ti­ven wur­den prä­sen­tiert – wei­te­re Ideen und Zusam­men­schlüs­se sind ent­stan­den
Von David Hock

Es ruckelt noch ein wenig auf dem Ton­ka­nal. „Könnt ihr mich jetzt hören?“ – „Ich höre Dich immer noch sehr lei­se.“ – „Ich höre Dich dop­pelt.“ Es dau­ert ein paar Minu­ten, bis sich die Teil­neh­men­den, die sich an die­sem Frei­tag­nach­mit­tag (4. Febru­ar) digi­tal zusam­men­fin­den, auch stö­rungs­frei ver­ste­hen. Um kurz nach 15 Uhr dann aber kann Mode­ra­to­rin Dr. Maren Glüer die ver­sam­mel­te Grup­pe begrü­ßen: „Wir freu­en uns rie­sig, dass ihr hier seid. Das wer­den jetzt vier Stun­den, die wir uns schen­ken.“ 32 sozia­le und öko­lo­gi­sche Orga­ni­sa­tio­nen Ham­burgs sind ver­tre­ten.

Sie möch­ten den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und das Auf­hal­ten der Kli­ma­kri­se mit­ein­an­der ver­bin­den. „Ham­burg trans­for­mie­ren. Sozi­al. Öko­lo­gisch. Gerecht.“ Das ist das Mot­to von Akti­Ko­Z­WEI, die sich schon im Juni 2021 ein­mal in gro­ßer Zahl auf der ers­ten Akti­Ko zusam­men­ge­schal­tet hat­te (Einen Bericht dazu gibt es hier). „Damals war die Bot­tom Line: Wir sind ein schla­fen­der Rie­se, der gemein­sam ganz viel bewir­ken kann“, sagt Glüer von den Par­ents for Future in den ein­lei­ten­den Wor­ten – und fügt an: „Wir brau­chen aber auch die brei­te Gesell­schaft, die das mit­trägt.“

Bevor es in Klein­grup­pen um die Umset­zung kon­kre­ter Vor­ha­ben ging, schil­der­ten drei Gäs­te mit unter­schied­li­cher Exper­ti­se dem Ple­num ihre Per­spek­ti­ve auf den Sta­tus Quo und Ansatz­punk­te für struk­tu­rel­le Ver­än­de­run­gen: Sozi­al­wis­sen­schaft­le­rin Prof. Ani­ta Engels, die unter ande­rem dem Exzel­lenz­clus­ter „Cli­ma­te, Cli­ma­tic Chan­ge, and Socie­ty“ (CLICCS) der Uni­ver­si­tät Ham­burg ange­hört; San­dra Gold­schmidt, stell­ver­tre­ten­de Lan­des­be­zirks­lei­te­rin der ver.di; Anni­ka Ritt­man, Kli­ma-Akti­vis­tin und Spre­che­rin von Fri­days for Future Ham­burg.

„Ham­burg ist im Bereich Kli­ma­for­schung unglaub­lich breit auf­ge­stellt, das wis­sen vie­le gar nicht“, so Engels. Auch im For­schungs­netz­werk CLICCS gebe es einen „Aus­hand­lungs­pro­zess“ dar­über, wie der 1,5‑Grad-Pfad noch erreicht wer­den kann. Grund­sätz­lich sei man sich einig: „In den Bemü­hun­gen muss in allen Berei­chen eine Beschleu­ni­gung statt­fin­den.“

San­dra Gold­schmidt schaut sich kli­ma­po­li­ti­sche Anstren­gun­gen als Gewerk­schaf­te­rin vor allem aus der Per­spek­ti­ve von Beschäf­ti­gungs­in­ter­es­sen an. „Am Bei­spiel des Koh­le­aus­stiegs erle­ben wir, dass der Ver­lust eines Arbeits­plat­zes für Vie­le deut­lich direk­ter spür­bar ist als die Fol­gen der vor­an­schrei­ten­den Kli­ma­kri­se.“ Nichts­des­to­trotz habe sich auch bei ver.di bereits ein Bewusst­sein dafür ent­wi­ckelt, „dass nicht jeder Arbeits­platz gesi­chert wer­den muss, nur weil es ein Arbeits­platz ist.“ Und es gibt auch attrak­ti­ve The­men: „Beim The­ma Mobi­li­täts­wen­de suchen wir einen sehr engen Schul­ter­schluss mit der Kli­ma­be­we­gung.” Kli­ma­schutz sei hier auch Beschäf­ti­gungs­schutz.

Anni­ka Ritt­mann berich­te­te von zer­mür­ben­den Bemü­hun­gen der Aktivist:innen bei Fri­days for Future, auf den Ham­bur­ger Senat ein­zu­wir­ken. „Herr Tsch­ent­scher wie auch die Ampel­ko­ali­ti­on auf Bun­des­ebe­ne schaf­fen es, für die meis­ten Men­schen eini­ger­ma­ßen glaub­wür­dig zu ver­mit­teln, sie wür­den wirk­sa­men Kli­ma­schutz betrei­ben.“ In Ham­burg lau­te die Devi­se: „Wir haben ein Kli­ma­schutz­ge­setz und über­ar­bei­ten dies.“ In die­sem Jahr soll ledig­lich ein Ent­wurf für die Anpas­sung an die Erfor­der­nis­se des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts­ur­teil ver­fasst wer­den. Bis Ende 2023 soll es dau­ern, bis er zum Gesetz wird. Schon jetzt ist es in Ham­burg durch­schnitt­lich um 1,7 Grad wär­mer als vor 140 Jah­ren. Ritt­mann sieht den­noch Chan­cen im Koali­ti­ons­ver­trag der Han­se­stadt: „Dort steht ein CO2-Bud­get. Dar­auf kön­nen wir Senator:innen fest­na­geln.“

Im „Speed-Dating“ durch Volks­in­itia­ti­ven und Akti­ons­ideen

Wie die­se Bud­gets ein­ge­hal­ten und die Bevöl­ke­rung auf dem Weg mit­ge­nom­men wer­den kann, dazu exis­tie­ren zahl­rei­che kon­kre­te Ideen und lau­fen­de Pro­jek­te. Dr. Maren Glüer gab 16 vor­her ein­ge­reich­ten Initia­ti­ven schließ­lich jeweils drei Minu­ten Zeit, „eure Pro­jek­te wie beim Speed-Dating vor­zu­stel­len“.
Dar­un­ter war die Zukunfts­werk­statt Lok­stedt, die neben dem Tei­len von Lebens­mit­teln, Las­ten­rä­dern und Autos eine loka­le Ener­gie­wen­de orga­ni­sie­ren möch­te und ein Stadt­teil­zen­trum als Treff­punkt anvi­siert.

Die Volks­in­itia­ti­ve Kli­ma­ent­scheid hat ein Gesetz aus­ge­ar­bei­tet, wel­ches tat­säch­lich mit den Ver­ein­ba­run­gen des Pari­ser Kli­ma­ab­kom­mens kom­pa­ti­bel sei und spä­tes­tens durch ein Bür­ger­be­geh­ren demo­kra­tisch auf den Weg gebracht wer­den soll. Die Volks­in­itia­ti­ve Grund­ein­kom­men strebt einen Modell­ver­such an, in dem über drei Jah­re 2.000 Hamburger:innen in einem reprä­sen­ta­ti­ven Quar­tier ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men bezie­hen und dabei wis­sen­schaft­lich beglei­tet wer­den sol­len.

Mit die­sen und ande­ren Vor­ha­ben ging es nach einer Pau­se in drei Kon­fe­renz­räu­me. Es ent­stand die Mög­lich­keit, sich über vor­ge­stell­te Inhal­te aus­zu­tau­schen, sich orga­ni­sa­ti­ons­über­grei­fend zu ver­net­zen und wei­te­re Visio­nen gemein­sam zu ent­wi­ckeln.

Im Abschluss-Ple­num berich­te­ten sich die Klein­grup­pen dann aus ihrer ein­stün­di­gen Unter­re­dung und prall gefüll­ten Pro­to­kol­len. Neben dem Ver­stär­ken vie­ler bestehen­der und anste­hen­der Bil­dungs­an­ge­bo­te, Demons­tra­tio­nen oder Pro­test­ak­tio­nen ent­stand auch die Visi­on von einem Akti­Ko-Zukunfts­camp im Herbst – am bes­ten mit­ten auf dem Rat­haus­markt.

„Wenn ich so sehe, was es alles gibt, wer­de ich zuver­sicht­lich, dass wir Schrit­te in eine gute Rich­tung machen“, sagt Glüer um 19 Uhr. Zum Abschluss gibt es per Online-Umfra­ge für alle eine Abschluss­fra­ge: „Was ist dein nächs­ter Schritt, der aus der Akti­Ko folgt?“ Die bei­den Top-Ergeb­nis­se sind „Ver­net­zung“ – und „Bier trin­ken“.