Auftakt, um den schlafenden Riesen der Zivilgesellschaft zu wecken
Fast 80 zivilgesellschaftlich Aktive kamen am 4. Juni per Video zur ersten Aktionenkonferenz (AktiKo) zusammen. Erste Vorhaben, soziale und ökologische Anliegen gemeinsam anzugehen, sind gestartet.
Von David Hock
Es ist 14 Uhr an diesem sommerlichen Freitag, als Anke Butscher die versammelte Runde begrüßt. „Wir haben genug Resolutionen und Petitionen für die sozial-ökologische Transformation geschrieben. Wir brauchen die breite Mobilisation und möchten heute herausfinden, welche Knackpunkte es dabei gibt“, sagt die Moderatorin, die dies als Organisations- und Unternehmensberaterin bei corsus auch in ihrem Hauptberuf tut. Mit ihr kommen an diesem Nachmittag Menschen aus 40 Organisationen zusammen, die jene Knackpunkte finden möchten. „Ich bin überwältigt, dass so Viele bei so gutem Wetter vor dem Computer sind“, sagt kurz darauf Gudrun Nolte, Leiterin des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt der Nordkirche. Sie hat im vergangenen Jahr die Hamburger Sozial-Ökologische Allianz mit initiiert. Mit Hamburgs Regierung in Austausch über eine sozial und ökologisch nachhaltige Zukunft zu kommen, das ist das einende Anliegen der beteiligten Akteure. Im Herbst fanden Gespräche mit Abgeordneten von SPD und Grünen statt. „Dabei bekamen wir den Eindruck: Der Senat setzt das eine oder andere interessante Projekt um – von einer Wende aber ist er weit entfernt“, sagt Mick Petersmann, Aktivist in der Gemeinwohl-Ökonomie, ebenfalls Initiator der Allianz.
Und so traten nun Engagierte in Hamburg in einen Dialog, wie sie einzelne Vorhaben zusammenbringen, mehr Aufmerksamkeit erzeugen, den politischen Druck erhöhen können. Für eine Wende.
In drei 45-minütigen Einheiten sprachen spontan formierte Kleingruppen über Themen, die zuvor durch Online-Vorschläge und Abstimmung live ausgewählt wurden. „Welche Vision haben wir für Hamburg in 5 bis 10 Jahren?“ lautete ein Thema, „Wie erhalten wir Grünflächen trotz Wohnungsbau?“ ein anderes – oder: „Wie können wir Benachteiligte mehr berücksichtigen?“. Insgesamt kamen zwölf Gesprächsrunden zustande. Im Barcamp-Format war ein Austausch auf Augenhöhe vorgesehen; die Fragen nach politischen Zielen, wirksamen Hebeln, und organisationsübergreifenden Aktivitäten dienten als Orientierung. Im Zentrum der Gespräche steht die Frage, wie ökologische und soziale Transformation Hand in Hand gehen. Zwei Beispiele stehen stellvertretend für entsprechende Handlungsorientierung: Die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ freut sich über breite Unterstützung, die in den Stadtteilen für ein wahrscheinliches Volksbegehren voraussichtlich im März 2022 mobil macht. German Zero Hamburg bereitet eine Kampagne für einen 1,5 Grad-tauglichen Klimaplan der Stadt Hamburg vor.
„Eins ist klar geworden: Gemeinsam schaffen wir mehr als alleine“, fasste Sebastian Gillwald, Co-Moderator und in der Berliner Stiftung Bürgermut tätig, nach gut vier Stunden Wechselspiel aus Plenum und Breakout-Sessions zusammen. Mick Petersmann sagte, er sei „absolut geflasht“ von dem breiten Engagement in Hamburg, das hier ein Stück sichtbar geworden sei. Und er zitierte einen Teilnehmer: „Die Zivilgesellschaft ist ein schlafender Riese. Wir können viel mehr, wenn wir zusammenarbeiten.“
Alle zentralen Ergebnisse sind dokumentiert und werden den Beteiligten zur Verfügung gestellt. Maren von den Parents For Future lädt zu einer Messenger-Gruppe AktiKo ein. Das Organisations-Team kündigt ein Vorbereitungstreffen für AktiKo Nummer 2 nach der Bundestagswahl an. Der Aufruf von ver.di „Für Umverteilung und eine gerechte Gesellschaft – sozial und ökologisch“ wird als gute Grundlage für parallele und gemeinsame Initiativen im Bundestagswahlkampf empfohlen.